5. Februar 2014

San Gil - Chiquinquira

Freitag, 31. Januar

Nachdem mein Magen den Fleischspieß dann einigermaßen verkraftet hatte ging es heute weiter von San Gil nach Socorro. Insgesamt ein relativ entspanntes Tagesprogramm, aber im Hinblick auf meinen geschwächten Körper wahrscheinlich genau das richtige. Es ging "relativ eben" (also auf und ab, aber ohne nenneswerte Anstiege) dahin und die Fehrt blieb auch sonst recht ereignislos. Am Straßenrand gab es immer wieder leckere Sachen, unter anderem ein Shake mit frischer Ziegenmilch, aber ich wollte an dem Tag noch nichts riskieren und hab schweren Herzens auf alles verzichtet. Relativ früh kam ich dann in Socorro an und machte mich auf die Suche nach einem Hotel.
 
 Landschaft entlang der Strecke

Ups, verfahren?!? 

 Hotel gefunden und das Rad gleich mit aufs Zimmer genommen. Hat genau reingepasst!


Socorro ist ein recht gemütliches Städtchen mit angenehmer Atmosphäre und...


  ...mit einer Kathedrale als Hauptsehenswürdigkeit (wie in den meisten Städtchen und Dörfern hier) und einem recht belebten Park davor...

 ...auf dem sich viele Kinder austobten.


 Die Kathedrahlen sind meist sehr gewaltig, allerdings nicht übermäßig verziert und geschmückt...

...aber meist mit sehr schönen Fenstern.


Socorro...



Mit Blick auf diesen Park gab es dann noch...

... den täglichen Vitaminschock! Was hier übrigens aussieht wie Käse auf meinem Obstsalat, ist... richtig: Käse auf meinem Obstsalat. In Kolumbien gilt Käse meist als etwas süßes, auch wenn er nen salzigen Geschmack hat. Ist gewöhnungsbedürftig, ich hatte jedenfalls vergessen, ihn abzubestellen.

Auf dem Heimweg zum Hotel zeichneten sich im Hintergrund schon die Berge ab, die in der nächsten Zeit noch auf mich zukommen sollten...

 Kathedrale bei Nacht




3. Etappe: 21,8 km, 514 m bergauf, 510 m bergab, niedrigster Punkt: 1037 m, höchster Punkt: 1230 m


Samstag, 1. Februar

Heute lag ein längeres Stück weg vor mir. Von Socorro wollte ich möglichst nahe an Barbosa herankommen, da ich mich am darauffolgenden Tag da mit Jemandem treffen wollte, aber dazu später mehr.
Entlang des Weges wurde die Landschaft immer grüner und es zeichnete sich auch immer mehr Landwirtschaft ab. Hauptsächlich jedoch in Form von Zuckerrohr, aus dem hier das Panela gemacht wird. Panela erhält man in Form eines kleinen festen Blockes, von dem man abbeißen oder was abbrechen kann. Lässt man es in heißem Wasser kurz aufkochen bereitet man das hier überall erhältliche Agua de Panela zu. Schmeckt sehr süß, aber nicht nur nach Zuckerwasser. Panela ist hier sozusagen der Energiespender für Arbeiter und auch Sportler. Mir wurde von mehreren Personen immer wieder erzählt, dass alle kolumbianischen Rennradfahrer während ihrer Touren Panela dabei haben, auch bei der Tour de France! Da werde ich beim nächsten Mal auf jeden Fall darauf achten...



Ab und an sah man auch Schafherden, aber meistens laufen die Ziegen, Kühe, Pferde (sofern nicht an einen Baum gebunden) und Hühner einfach irgendwo herum.

Nach dem Mittagessen war dann ausspannen angesagt und den Einheimischen bei deren Mittagspause zuschauen. Die drei Jungs haben immerhin in einer Stunde jeder 5 Bier gekippt!
 

Unterwegs bin ich dann auch an einenm alten VW-Bus mit Westfalia-Ausbau und Hochdach vorbeigefahren, der vor einem Haus an der Straße parkte. Ich war schon etwas neugierig, wer hier so ein Auto fährt, da es aber gerade mitten in einem langen Anstieg war, wollte ich nicht absteigen und fuhr weiter. Es dauerte aber nicht lange, da fuhr der Bus plötzlich neben mir und heraus schauten Leo und Pricilla. Sie grüßten mich, befragten mich ne Weile, was ich denn mache und wo ich denn hinwolle und boten schließlich nach ner Weile an, mich ein Stück mitzunehmen. Da ich zum einen den letzten größeren Anstieg gerade vor mir hatte, ich ja möglichst weit kommen wollte, aber hauptsächlich neugierig auf die beiden und ihre Geschichte war, beschloss ich, das Angebot anzunehmen. Und so erfuhr ich dann, nachdem alles irgednwie verstaut war, das die beiden aus Costa Rica stammen und mit mit ihren beiden Kindern (3,5 Jahre und 11 Monate, Namen leider vergessen) für 2 Jahre unterwegs sind. 4 Monate hatten sie bereits hinter sich und waren jetzt auf einem ähnlichen Weg wie ich unterwegs nach Argentinien. Sie erzählten, dass sie wegen der beiden Kleinen täglich nicht allzu weit fahren könnten, aber sie hätten ja Zeit... :) In ihrem Bus haben sie alles was sie benötigen und somit nur immer auf der Suche nach einem Ort, an dem sie gut parken können. Da sie keine Couch benötigen, nennen die beiden es Garage-Surfing (angelehnt an das Couchsurfing, für die, denen das kein Begriff ist.) Sie sind auf jeden Fall ein sehr lustiges Pärchen und haben viel Spass bei ihrer Reise, leben einfach so in den Tag hinein und entscheiden erst an der nächsten Kreuzung, welchen Weg sie nehmen werden. Ich wäre auch gerne noch länger mit den beiden unterwegs gewesen, aber oben angekommen bin ich nach einigem Plaudern dann doch mit dem Rad weitergefahren. Schließlich musste ich auch noch ne Unterkunft finden. 

Da es insgesamt schon relativ spät geworden war und ich Barbosa sicher nicht mehr erreichen konnte, beschloss ich dann, als ich an einem Straßenladen mal wieder frisch gepressten O-Saft trank, mich nach einem Nachtquartier umzuschauen. Und was liegt da nahe? Na klar, ich frag gleich mal die Leute vom Saftstand. Deren Haus (und gleichzeitig auch kleiner Laden) stand zwar direkt neben der Straße, aber sie hatten einen Garten mit gepflegtem Gras, also perfekt für mein Zelt. Valentin und Llumila hatten nichts dagegen und die drei Kids freuten sich riesig mir beim Zeltaufbau zu helfen. Denn sie träumen schon lange davon selber ein Zelt zu haben. Im Laden konnte ich mich noch mit Trinken und Süßigkeiten eindecken und nach einer langen Fragerunde der Kids war es dann auch schon dunkel. Aber natürlich gab es noch ein Gruppenbild, zu dem dann auch noch Opa und Oma aus dem Dorf dazugeholt wurden. Dann noch das Rad im Laden eingesperrt und ins Zelt geschlüpft.

Gruppenbild vor dem Laden/Haus

Es war ein wirklich gelungener Abschluss eines schönen Tages, allerdings gaben mir die beiden noch ein Pitaya (Drachenfrucht) zu essen. Was ich nicht wusste und sie mir auch erst danach sagten, dass das zu einem gründlichen Aufräumen des Magens führen kann!!! Ich hatte meinen Magen doch gerade erst beruhigt. Aber was noch schlimmer war, ich hatte ja eine Nacht im Zelt vor mir...! Also gleich noch eine Immodium eingeschmissen. Ganz geholfen hatte es leider nicht und nachts raus und ins Gestrüpp zu müssen ist hier nicht besonders romantisch vor allem nicht, wenn plötzlich drei Straßenköter wild bellend an einem vorbeirennen. Aber ich war zum Glück nicht die Ursache deren Unruhe und konnte schnell wieder ins Zelt. Ansonsten super geschlafen...! :)

Extrem lecker, aber nicht fürs Zelten geeignet!
  

4. Etappe: 70,9 km, 1857 m bergauf (davon 300m mit Lift ;) ), 1557 m bergab, niedrigster Punkt: 1212 m, höchster Punkt: 1751 m

Sonntag, 2. Februar

 Heute wollte ich mich also mit Mario in Barbosa treffen. Mario habe ich über die Internetseite www.warmshowers.org kennengelernt. Die Warmduscher-Seite ist im Endeffekt genau wie Couchsurfing, nur eben von (Reise-)Radler für (Reise-)Radler. Man schaut also, wo sich Mitglieder befinden und kann diese anschreiben und fragen, ob eine Übernachtungsmöglichkeit, Dusche, Waschmöglichkeit,... zur Verfügung steht. Wenn ja, super. wenn nein, auch nicht schlimm. 
Mario hat mir geschrieben, dass wir, sollte ich frühzeitig ankommen, noch in ein benachbartes Dorf gehen können, in dem an dem Tag ein größeres Fest stattfindet. Es findet einmal im Jahr statt und ein Großteil der Menschen aus der Gegend wandert zu Fuß oder mit dem Rad dorthin. Erst ist Kirche, danach essen und trinken...
Mit diesem Ziel vor Augen stand ich schon um halb 6 auf (für Kolumbianer übrigens nichts besonders, hier sind alle extreme Frühaufsteher!) und machte mich nach einer heißen Agua de Panela auf den Weg. 

Rio Suarez
 

Warndreieck auf kolumbianisch!
 

Allerdings war die Straße wegen vieler Schlaglöcher und Aufwölbungen sehr schlecht und die Anstiege auch nicht ohne, weshalb ich dann erst gegen 9 in Barbosa auf Mario traf, der mich dort mit dem Rad abholte. Nach kurzem Ausruhen und Kennenlernen ging es dann weiter nach Puente Nacional, wo er lebt. Dabei durfte er natürlich mein Rad testen, was mir auch ganz gelegen kam. Jedoch stellte ich fest, dass das Fahren mit seiner alten Kiste leider keine große Erleichterung darstellte.   


Mario mit Rad, allerdings das seines Bruders, da er einen Rahmenbruch hatte

 Bei Mario zuhause. Ja, das Haus ist so schmal, auch nach hinten raus.

Vorne das Wohnzimmer, dann das Esszimmer mit Esstisch und hinten die Küche. Aber Fernseher sowohl im Ess- als auch im Wohnzimmer! :) Hinten gibt es noch ein Klo mit Dusche und einen kleinen Innenhof, oben sind dann die Schlafzimmer. Mein Rad durfte im Esszimmer parken.
Hier lebt Mario mit zweien seiner Brüder, insgesamt hat er drei Brüder und zwei Schwestern. Mit auf dem Bild auf ihrer Dachterrasse: sein Bruder Juan.
Blick von der Dachterrasse...

 Leider war es dann doch zu spät um noch zu dem Fest im Nachbardorf zu gehen. Darum hat Mario mir Puente Nacional und die Umgebung gezeigt. Hier hat man dann auch gesehen, welche Probleme es hier immer wieder gibt: Erdrutsche aufgrund von großen Wassermassen! Immer wieder werden Brücken komplett mitgerissen oder Straßen weggeschwemmt oder mit Dreck und Schlamm verschüttet.
 

Badestelle im Fluss, natürlich wird da auch wieder gegrillt..!



Das hab ich mir nicht nehmen lassen!


Selbstverständlich gibt es auch hier ne Kathedrale!


 Abends ging es dann noch zum "Rana" (Frosch) spielen, man versucht Goldmünzen (zumindest früher hatte man welche) dem Frosch ins Maul zu werfen. Je nachdem, wo die Münze hinfliegt, gibt es unterschiedlich viele Punkte. An sich ganz nett, aber hauptsächlich ein Grund um gemütlich zusammen zu kommen und ein Bierchen zu trinken. Das hab ich dann auch mit Mario und Juan gemacht, ich allerdings mit Cola.

Mario hat mir insgesamt wahnsinnig viel erzählt und erklärt, aber vor allem er selber und seine Lebensgeschichte haben mich sehr beeindruckt. Sein Vater starb schon sehr früh bei einem Autounfall (auf der Straße, die ich am nächsten Tag hoch wollte) und er wuchs hauptsächlich mit seiner Mutter auf. Vor drei Jahren ist sie dann schwer erkrankt und musste nach Bogota ins Krankenhaus. Da das Gesundheitssystem hier quasi nicht vorhanden ist, mussten er und seine Geschwister die teure Behandlung komplett aus eigener Tasche bezahlen. Unter anderem hat die Familie ihr Auto verkauft, Mario sein Motorrad und auch noch einen Kredit aufgenommen. In dieser Zeit hat Mario von einem Reiseradler aus Spanien im Radio gehört, der gerade durch Kolumbien fuhr (insgesamt ist er wohl schon 4 Jahre unterwegs). Er hat im Internet dessen Seite gefunden und seiner Mutter davon erzählt. Da sie so begeistert davon war, hat er ihr weiterhin jeden neuen Eintrag vorgelesen, bis seine Mutter dann nach zwei Jahren in Behandlung schließlich im August letzten Jahres verstorben ist. Einen Monat danach hat er seine erste Radreise nach Medellin in Kolumbien unternommen, um den Tod seiner Mutter zu verarbeiten und träumt seither von einer großen Radreise, am liebsten durch Europa! Daher hat er sich auch auf warmshowers.org registriert, um anderen Radreisenden zu helfen. In zwei Jahren hat er seine Hypothek abbezahlt und dann will er mit dem Sparen beginnen. Als Finanzbeamter muss er jedoch mit 250€ pro Monat auskommen und somit wohl noch ne ganze Weile sparen...
Und trotz alledem hat er es sich nicht nehmen lassen mich zu jedem Getränk und zweimal zum Essen einzuladen, er wäre sonst beleidigt gewesen. Also habe ich ihm heimlich was zusammen mit einer Nachricht  für seine Reise hinterlassen.

Aber Mario konnte mir auch Geschichten von früher erzählen, als er als kleiner Junge zusammen mit seiner Mutter unter dem Bett kauerte, weil draußen sich wieder die Guerillas mit dem Militär bekämpften, Maschinengewehrfeuer und Granaten durch die Stadt hallten und sich immer wieder ein paar Kugeln auch in privaten Häusern verirrten.Somit habe ich auch in diese Zeiten einen kleinen Einblick erhalten und bin froh, dass sich die Zeiten so gewaltig geändert hatten...


5.Etappe: 31,1 km 717 m bergauf, 611 m bergab, niedrigster Punkt: 1354 m, höchster Punkt: 1671 m



Montag, 3. Februar

Nach herzlichem Abschied von Mario hab ich mich dann an meine zweite richtige Bergetappe gemacht. auf den ersten ca 20 km geht es von 1600 m auf 2600 m hoch. Ziemliche Mühen mit dem ganzen Gepäck, aber es ist eine echt schöne Straße mit super Ausblicken und toller Landschaft. 


Der tägliche frisch gepresste Saft! :)



Wieder mal der Rio Suarez.

Die Sonne in dieser Höhe ist schon relativ stark und so wird es wohl erst mal nix mit nahtloser Bräune!

Aber schließlich bin ich doch relativ fit in Chiquinquira angekommen und werde mir hier jetzt erst mal einen Ruhetag gönnen.


6.Etappe: 40,2 km 1581 m bergauf, 623 m bergab, niedrigster Punkt 1597 m , höchster Punkt 2659 m
Hier mal das Höhenprofil dazu: